Seit meinem Studium wohne ich in Hamburg und Eimsbüttel ist mein Viertel. Hier spielt sich mein Leben ab. Wenn ich vor die Haustür trete, habe ich die Möglichkeit nach links Richtung Osterstraße zu gehen oder rechts Richtung Schanze. Zu 99% gehe ich rechts rum. Das 1% kommst zustande, weil mein Zahnarzt in der Osterstraße seine Praxis hat und ich meine Last-Minute-Geschenke hin und wieder in der Osterstraße erledigen muss. In der Schanze hingegen habe ich mein Lieblingsrestaurant, Lieblingscafè und meine Lieblingsbar, wo ich am liebsten meine Freizeit verbringe. Beim Lieblingsobstundgemüsehändler kaufe ich die Melone gegen die Stadthitze im Sommer und den Ingwer gegen Erkältungen im Winter.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und auch um meinen Kiez liegt ein unsichtbares rotes Band. Warum raus bewegen? Ich habe doch alles hier, was ich brauche.
Mein Lieblingsrestaurant macht nach wie vor die besten Pastagerichte der Stadt und an der Einrichtung hat sich über all die Jahre nicht viel geändert. Dennoch fühle ich tief drinnen, dass es einen Wandel gibt. Nur vereinzelnt sieht man Kinder vorbeilaufen. Sie spielen nicht, sondern laufen direkt von der Schule nach Hause. Wo sind die älteren Menschen hin? Gibt es sie überhaupt noch in der Schanze? Vermutlich nicht. Durch Gentrifizierung verschwindet der 24-Stunden Edeka an der Ecke, der 357 hippe Klamottenladen eröffnet und der Lieblingsobstundgemüsehändler weicht einem Apple Store.
Hamburg ist eng verbunden mit dem Spruch und Marketing-Hype: Hamburg, das Tor zu Welt oder Hamburg, meine Perle! und irgendwann glaubt man es, dass Hamburg besonders ist. Aber was ist wirklich so besonders an Hamburg? Die Menschen, das Freizeitangebot, die Stadt an sich? Klar ist Hamburg schön, die Stadt ist grün und das Freizeitangebot groß. Aber gleichzeitig ist Hamburg als Musicalstandort und Luxus-Kreuzfahrtschiff-Anleger an der Elbe auch extrem überlaufen und kommerziell. Die unkommerziellen Abschnitte an der Elbe, wie einst der Strand um die Strandperle, werden kürzer. Liebe Schnöselhanseaten, die ihr die Strandperle für euch entdeckt habt – nehmt die Stöcke aus dem Arsch – wir machen Lagerfeuer!
Hamburg wandelt sich, aber es passiert rein gar nichts Neues. Ein Beispiel dafür ist die Hafencity. Ein öder Stadtteil, unpersönlich, ohne echtem Leben und ohne Seele. Man möchte bereits nach 10 Minuten den Notausgang suchen.
Vielleicht macht die ganze Gentrifizierungswelle vielen Hamburgern Angst vor Neuem? Die lähmende Angst seine Miete nicht mehr zahlen zu können und in einen anderen Stadtteil ziehen zu müssen. Manchmal denke ich, wäre das denn so schlimm? Lass uns doch zusammen in einen neuen Stadtteil abwandern und den Yuppies, die mit Hundekot vollgekackten Stadtteile überlassen. Wir haben dann zwar keine Szenebar mehr, aber fahren einfach mit dem Fahrrad oder Rollator durch die Straßen und treffen uns irgendwo und lassen da was Neues entstehen. Endlich aufhören darauf zu warten, dass sich die Gesellschaft ändert.
Das Kribbeln für die eigene Stadt sollte man sich zurückholen, dann vibriert auch schnell ein neues Stadtviertel.